Freitag, 30. September 2011

Der Weihnachtswahnsinn

Unser Leben wird von Schnelligkeit dominiert. Schnelllebigkeit heißt das dann. Das 21. Jahrhundert ist schneller als das Licht und wir eilen hinterher, - gedanklich und emotional. Nur saisonal sind wir uns selbst voraus. 


Das gehört dazu, und man muss es wissen, um sich nicht über die Weihnachtsbäume und Spekulatius zu wundern, die in diesen Tagen etwa zwei Monate zu früh die Schaufenster und Ladenauslagen eroberten.
Dabei erleben wir gerade den Sommer, den wir gern gehabt hätten: und befinden uns daher gefühlstechnisch so weit entfernt von Schneeflocken und Lebkuchen wie der Papst von der Ökumene.

„Endlich werden die Tage wieder kürzer“, steht in dem Newsletter eines schwedischen Möbelhauses, das einem guten Freund zugesendet wird und der beim Lesen dessen beinahe vom Stuhl kippt. Endlich wird das Wetter mieser und die Menschen trauriger?
Ist das der Grund, weshalb schon Ende September alles zu glänzen und zu leuchten beginnt? Vielleicht sollen uns die Rentiere und Hand geblasenen Weihnachtskugeln ja davon abhalten, uns umzusehen und die Dunkelheit zu bemerken. 
Die Flucht in den Konsum. 
Sie soll uns helfen, zu vergessen. 
Oder ist es nur ein gutgemeinte Hinweis von ein paar Kaufhausmogulen, - damit wir, ihre Mitmenschen, nicht Gefahr laufen, zu vergessen, dass in diesem Jahr noch Weihnachten ansteht?

Der Gedanke, dass bereits mehr Monate des Jahres vergingen als noch kommen, ist tatsächlich naheliegend; und es ist auch gar nicht verwerflich, innezuhalten und zu bemerken, an welcher Stelle des Jahres man sich gerade befindet; aber es gehört doch einiges dazu, zu dem Schluss zu gelangen, dass das einzige, das jetzt noch komme, Weihnachten sei und man deshalb besser schon mal den Schlitten rausholt. 
Gebäck der Saison: den Zimtstern
gibt's jetzt schon im Herbst

Denn wohin führt diese Weihnachtstaubheit?
Sicherlich, die Globalisierung verschiebt Grenzen und macht Distanzen unsichtbar. Wir trinken chilenischen Wein und essen Bratwurst mit Couscous, wir tanzen zu Klezmer und knabbern chinesisches Reisgebäck. Aber kann man uns vormachen, dass Weihnachten nicht mehr im Dezember liegt? Den Türken wird der Beitritt zur EU verweigert, unter anderem, weil sie kein christliches Land seien. Wir beweisen unsere Christlichkeit gerne bei Papstbesuchen und haben bei all dem Durcheinander ganz vergessen, wann denn nun eigentlich die Adventszeit beginnt. Lange vor Allerheiligen und dem Totensonntag lächeln uns rotbäckige Weihnachtsmänner entgegen und wir lächeln zurück. 

Gehört es zur bürgerlichen Toleranz, dass wir über die Adventskalender und Keksdosen hinwegsehen, oder sind wir schon so taub und abgestumpft, dass uns selbst Weihnachtsmänner im September nicht mehr abschrecken?

Werden wir in künftigen Jahren im Oktober bei Kürbissuppe sitzen und unseren Kindern erzählen, der Kürbis, ja, der Kürbis wäre ein weihnachtliches Gewächs?
Und werden unsere Kinder nicht ganz wahnsinnig, wenn die Weihnachtszeit nun fast ein halbes Jahr dauert? Wie viele Geschenke wollen sie haben, wenn sie innerhalb eines halben Jahres so eingelullt werden, dass sie nur noch Christstollen und Zimtsterne sehen.

Natürlich, so oder so wird er kommen, der Advent, die tatsächliche Ankunft und der Beginn der Weihnachtszeit. Aber dann haben wir uns vielleicht schon satt gegessen an all den Vanillekipferl und beschweren uns, dass wir gar keine Zeit hatten, Halloween zu feiern. 

Wenn die Weihnachtszeit tatsächlich schon so nah rückt, dann doch bitte konsequent, mit Adventskalendern, die nicht nur 24 Tage, sondern auch vier Monate – September, Oktober, November und Dezember - berücksichtigen. Aber da rümpfen sie die Nase, die Kaufhauschefs und Designer. Weihnachten, das sei doch Ende des Jahres. 

Gemieden werden die Kaufhäuser nicht, in denen die Engel singen und die Christbaumkugeln glänzen. Es wird auch noch dauern, bis die ersten Nikoläuse vor Rolltreppen sitzen und Kindern auf ihrem Schoß Geschenke versprechen. 
Und ein jeder, der dem Wahnsinn gefolgt ist und sich eine Tüte Spekulatius gegönnt hat, der weiß, dass die im Sommer gar nicht schmecken. 

Bildnachweise: (1) Zimtsterne: 
media.kunst-fuer-alle.de/img/37/g/37_299510~_stephanie-deissner-(f1-online)_zimtstern.jpg; die Bloggerin distanziert sich von jeglichen Inhalten der genannten Seiten.

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