Dienstag, 27. September 2011

Von wegen Semesterferien

Noch immer sind die Semesterferien nicht vorbei; doch wer denkt, dass diese ausschließlich an südeuropäischen Stränden verbracht werden, der irrt sich gewaltig: 
Jennifer Zorn ist sechsundzwanzig Jahre alt und studiert Kunstgeschichte im fünften Semester an der Marburger Philipps-Universität. In ihrer Freizeit pflegt sie deutsche Kriegsgräber, - doch was zunächst nach eintönig-einsamer Friedhofsarbeit klingt, ist tatsächlich ein vielseitiger Zeitvertreib, der ganz im Zeichen der Friedensarbeit steht.
Im Interview spricht die Studentin über ihre Aufgaben, ihre Motivation und trauernde Nationen.

Frage: Du arbeitest seit Anfang des Jahres beim Jugendarbeitskreis des Volksbundes für Deutsche Kriegsgräberfürsorge Hessen e.V. Was war deine Motivation, zum Volksbund zu gehen? 
Antwort: Ich kam zum Volksbund, weil mich der historische Hintergrund der Aktionen neugierig machte. Natürlich war ich auch durch meinen Studiengang an der Kriegsgräberfürsorge interessiert, aber ich habe schnell gemerkt, dass meine Motivation darüber hinaus geht. Es ist alles sehr ergreifend und emotional, zudem historisch und doch nicht vergangen. Irgendwo wird man irgendwann mitgerissen.

Frage: Du kommst gerade von einem Kid Camp in Frankreich. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Antwort: Das Camp war klasse. Wir waren knapp zwei Wochen in Niederbronn-Les Bains, also in der Nähe von Straßbourg und Verdun. Die Kinder waren zwischen 13 und 16 Jahren alt, also in einem Alter, in dem man zunächst kein Interesse an der Pflege von Kriegsgräbern vermuten würde.

Frage: Wie läuft so eine Freizeit im Camp ab?
Antwort: Die Zeit im Camp besteht aus verschiedenen Komponenten, sowohl aus Friedensarbeit als auch aus Freizeitaktivitäten; wir zeigen Filme und bieten themenbezogene Workshops an, zum Beispiel zum Thema Toleranz. Dort haben die Kinder viel über Mobbing und Vorurteile erzählt, genau so gibt es historische Workshops zum Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Meine Aufgabe ist es, die Kinder zu betreuen, Ausflüge zu organisieren und ihren Blick für die Arbeit am Frieden zu schärfen. Es läuft alles sehr spielerisch ab, wir befinden uns dabei nicht ausschließlich auf Friedhöfen, sondern haben auch Kanufahrten unternommen; dennoch ist es den Kindern erstaunlich klar, unter welchem Motto die Freizeit steht.
Zum Abschluss des Camps haben wir eine Trauerfeier zum Gedenken an die Toten organisiert. Man könnte glauben, dass Kinder in diesem Alter den Rahmen der Veranstaltungen noch nicht recht nachvollziehen können, aber sie haben wirklich viel geleistet.

Frage: Welche Beobachtungen hast du gemacht?
Jennifer Zorn mit den Jugendlichen unterwegs
Antwort: Sehr viele und sehr eindrückliche. Einerseits war die Arbeit mit den Kindern unglaublich angenehm und lustig, andererseits war der Hintergrund unserer Workshops – die aktive Arbeit am Frieden – ständig präsent.
Wir haben Gräber in Niederbronn gepflegt und gesäubert, dort befinden sich ein deutscher Soldatenfriedhof und eine Jugendbegegnungsstätte. Genau so haben wir einen US-amerikanischen Friedhof besucht, wo wir sogar die Möglichkeit hatten, eine Trauerfeier zu erleben. Das war schon sehr anders für uns, - jede Nation trauert anders. 

Frage: Ihr pflegt Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Welche Stellung nehmt ihr zu aktuellen kriegerischen Handlungen ein? Sind diese auch Thema einer solchen Freizeit?
Antwort: Ja, unbedingt. Friede entsteht ja nicht allein durch das Putzen von Gräbern. Wir haben einen Afghanistan-Soldaten ins Camp eingeladen, der mit den Kindern über die momentanen Geschehnisse gesprochen hat. Es ist wichtig, die Brücke zwischen vergangenen und aktuellen Kriegen zu schlagen und sich dessen bewusst zu sein. Erst dann kann man mit aktiver Friedensarbeit beginnen.

Frage: Das Kid Camp ist vorbei. Was steht als nächstes an?
Antwort: Zur aktiven Arbeit am Frieden gehört natürlich die Kriegsgräberfürsorge, aber eben genauso das Gedenken an Vergangenes. Deshalb ist auch der Jugendarbeitskreis Hessen gerade mit den Festlichkeiten rund um den Volkstrauertag beschäftigt, der in der Frankfurter Paulskirche stattfindet und vom Volksbund organisiert wird. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, dort eine Rede vor mehr als dreihundert Menschen zu halten.

In Niederbronn
Frage: Noch eine letzte Frage: Wer kann beim Volksbund mitmachen?
Antwort: Auch mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende besteht der Hauptaspekt der Arbeit des Volksbundes noch immer darin, die friedliche Aufarbeitung der beiden Weltkriege zu organisieren, zu betreuen und das Bewusstsein für ein friedliches Miteinander zu schärfen. Deshalb suchen wir stets nach neuen Helferinnen und Helfern. Es ist wirklich jeder willkommen. Das angenehme ist, dass man sich beliebig engagieren kann, - ob als Helfer bei den Treffen des Jugendarbeitskreises Hessen oder als Teamer in einem Camp. 

Mehr Informationen zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gibts hier

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