Mittwoch, 22. Juni 2011

Es strahlt die Küche zur Prüfungszeit

Der Mensch neigt zu Übertreibungen. Wird ein Kind eingeschult, hört es vermutlich oft von Erwachsenen jenen melancholiedurchtränkten Ausspruch, - nämlich dass die Schulzeit die schönste Zeit im Leben sei. 
Sollte dieses Kind sich etwa dreizehn Jahre später dazu entscheiden, ein Studium an einer Universität zu beginnen, so wird es diesen Spruch noch einmal hören. Und dieses Mal meinen es wirklich alle so. 

Studium. 
Das bedeutet Freiheit, Eigenständigkeit und Spaß; es bedeutet  "Nach-Hause-kommen-wann-ich-will", "keine-GEZ-Gebühren-zahlen", - aber auch: "Leerer-Magen-leerer-Kühlschrank."
Es sind diese kleinen Überraschungen, die die Eigenständigkeit so mit sich bringt, und die man so leicht vergisst. 
In diesen eher bitteren Momenten des Studentendaseins scheint es uns beinahe so, als hätten früher Dutzende fleißiger Heinzelmännchen bzw. eine Mutter alles mit Links - still und im Verborgenen - gemacht, was uns nun den letzten Nerv raubt: Müll rausbringen, Rechnungen zahlen, Lebensmittel einkaufen, Wäsche waschen (und Temperaturen finden, bei denen nicht alle T-Shirts mit einem Male rosarote oder himmelblaue Quallenabdrücke in Batiktechnik vorzeigen) oder putzen. 
In den Alltagsdisziplinen müssen wir uns erst noch üben, es braucht seine Zeit. 

Der Mensch, ein paradoxes Wesen, nimmt sich diese Zeit am liebsten genau dann, wenn sie ihm kaum zur Verfügung steht. - Dass nämlich die Sauberkeit in der studentischen Bleibe steigt, sobald es ans Universitär-Eingemachte geht, ist tatsächlich kein schlechter Scherz, sondern ein Phänomen, das seit geraumer Zeit durch Generation von Studenten bestätigt wird. 
In Zeiten der Krise verändert sich der Mensch; und Dinge, zu denen wir uns zuvor nur mit Mühe aufraffen konnten, gelingen mit einem Male aus der Not, eine andere Pflicht zumindest zeitweise zu vergessen. Viel größer ist daher in diesen Tagen die Wahrscheinlichkeit, einen Putzfimmel zu erleiden als einen Lern-Kollaps, und in der Hoffnung, Arbeit sinnvoll zu umgehen, nehmen wir jede andere Arbeit in Kauf. 

Wir staunen. 
Denn scheinbar ist mit einem Mal die Zeit, die wir vorher mit recht sinnfreien Aktionen verbrachten, gefüllt mit ausschließlich Sinnvollem. An dieser Stelle kann man schon romantisch werden und sich ausdenken, wie man die Zeit nach der Prüfungsphase nutzen wird, was alles möglich wäre, jetzt, da man die Dimension der Zeit viel besser versteht, - doch an dieser Stelle sei jegliche Illusion genommen: wir fallen gern zurück in alte Muster. Sicher sind wir lernfähig und emsig, doch mit Veränderungen tun wir uns schwer, wenn sie nicht erzwungen werden. 
Und so strahlt die Küche doch meist nur zur Prüfungszeit.

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